Rathaus Malchow, errichtet um 1820/1825, Hauptfassade, nach der Instandsetzung (Aufnahme Juli 2005)      weitere Abbildungen >

Das Rathaus Malchow ist der zentrale Repräsentationsbau im historischen Stadtkern auf der Insel. Es wurde - nach Entwürfen von 1818 - um 1825 errichtet und im Äußeren im Laufe der fast 200 Jahre seiner Geschichte nur wenig verändert. Als größere Eingriffe sind die Erneuerung des Treppenhauses und die Vergrößerung des Ratssaales 1893 sowie die Erneuerung der Fenster um 1975 und die Entfernung des Balkons über dem Hauptportal um 1925 zu nennen. Gleichzeitig wurde die zugehörige zweiflügelige Balkontür durch ein dreibahniges Fenster in Anlehnung an die Gliederung der alten Fenster ersetzt. Die in den Bildquellen des 19. Jahrhunderts dokumentierte klassizistische Haustür wurde - der formalen Gestaltung der heute bestehenden Tür zufolge - gleichzeitig erneuert. Da diese neue Hautür von ca. 1925 zu der erhaltenen historischen Ausstattung zählt, wird sie auch bei der anstehenden Instandsetzung beibehalten.
Als weitreichend ist die Veränderung des Erscheinungsbildes in der Zeit um 1925 zu betrachten: der Wechsel im Fassadenkonzept von den monochromen Anstrichen (1825 bis 1925) zu einer Absetzung des Fachwerkes gegenüber den Ausfachungen veränderte das Rathaus in seiner Wirkung erheblich.

Beim Rathaus Malchow wurde nach der Bestandserfassung 1996-1998 und der restauratorischen Befunderhebung 1989 und 1999 das Ziel formuliert, den historisch gewachsenen Bestand mit seinen Veränderungen zu respektieren und die erhaltenswürdigen Bauteile und Oberflächen durch ein Konzept so einzubinden, dass ihre zukünftige Erforschung mit verbesserten Untersuchungsmethoden oder nach veränderten Fragestellungen weiterhin möglich ist. Bei der Maßnahmenentwicklung verfolgte das Architekturbüro Autzen und Reimers aus Berlin überwiegend das Konzept des Reparierens in historischer Technik und mit den traditionellen Materialien, um einer bauphysikalischen Unverträglichkeit zwischen alten und neuen Bauteilen vorzubeugen. Das heißt auch, dass zahlreiche Reparaturen der letzten 50 Jahre, bei denen man Gips- und Zementmörtel verwendete, wieder entfernt werden mussten, da sich in ihrer Umgebung Schäden ergeben haben. Deshalb stellen viele Reparaturen eine Rekonstruktion des vorgefundenen Zustandes in traditionellem Material dar. Neue Ansprüche, beispielsweise an die Wärmedämmung, erfüllte man mit Methoden, die der langfristigen Erhaltung auch der Bausubstanz dienen (Wandtemperierung und Kastenfenster) und das äußere Erscheinungsbild des Rathauses nicht verändert.

In gestalterischer Hinsicht wurde an zwei Stellen rekonstruiert. Die um 1975 eingebauten Fenster wurden nicht als erhaltungswürdig eingestuft. Außerdem erfüllten sie nicht die Ansprüche an die Wärmedämmung. Statt dessen wurde eine Rekonstruktion der Fenster angestrebt, die durch die älteste bekannte Fotografie überliefert sind. Zugleich entschied man sich für die Wiederherstellung des Balkons in der Mittelachse der Hauptfassade, der zu den charakteristischen Merkmalen des klassizistischen Rathauses zählt. Auch hier mußte keine bedeutende Substanz zugunsten der Rekonstruktion des Balkons aufgegeben werden. Die Rekonstruktion der Fenster und des Balkons wurde im Abwägungsprozess zwischen den Beteiligten am Ort und den Denkmalpflegebehörden des Kreises Waren und des Landes Mecklenburg-Vorpommern als großer Gewinn angesehen, da diese Details wesentliche Bestandteile der anspruchsvollen Architektur des Rathauses waren. Für das äußere Erscheinungsbild wurde der zwischen ca. 1825 bis um 1925 bestehende Zustand mit monochromen Anstrichen der Fassaden als maßgeblich angesehen, da nur so die spätbarock-klassizistische Architekturauffassung des Rathauses zur Geltung kommen kann.

Bei den Innenräumen sollten sowohl die Veränderungen der Raum- und Baustruktur bis um 1920 mit der zugehörigen Ausstattung an Zimmertüren, Wandvertäfelungen, Dielenböden und Fußleisten, als auch der Putzoberflächen mit ihren Farbgebungen erhalten werden. Leichtbauwände und Fußbodenbeläge der letzten fünfzig Jahre wurden hingegen ebenso entfernt werden wie im Baugefüge schädliche Zement- und Gipsplomben oder Tapeten mit sperrenden Anstrichen. Für das äußere Erscheinungsbild und die Gestaltung der Innenräume entstand ein denkmalpflegerisches Konzept, das die Bewahrung der überlieferten Spuren und Schichten ermöglicht und vorgefundene Gestaltungsprinzipien aufgreift.

Da bei den Oberflächen der Innenräume große Verluste zu beobachten waren, konnte hier keine historische Ausstattung einer bestimmten Phase durchgängig wiederhergestellt werden. Der vorgefundene Bestand wurde jedoch gesichert. Treppenhaus und Ratssaal wurden in der restauratorisch nachgewiesenen Farbigkeit der Zeit um 1920 wiederhergestellt. In Anlehnung an diese Befunde und an einzelne Spuren im Bauwerk wurden Farbtöne des 19. und frühen 20. Jahrhunderts auch für die übrigen Räume des Rathauses aufgegriffen. Im kleinen Ratssaal wurde eine originale Wandoberfläche im vorgefundenen Zustand mit all ihren Schichten und Farbresten als "Fenster in die Vergangenheit" sichtbar gelassen und konserviert. Auch wenn einige Besucher zunächst den Eindruck haben, die Maler seien "nicht fertig geworden", wird mit dieser Wand die Geschichtlichkeit des historischen Rathauses Malchow besonders eindrucksvoll spürbar.

Baugeschichtliche Grundlagenermittlung und denkmalpflegerisches Konzept:
Dr. Holger Reimers, Hohenfelde

Bauaufnahme, technisch-konstruktive Grundlagenermittlung, Entwurf, Ausführungsplanung, Umsetzung, Bauleitung:
Dr. Rainer Autzen, Autzen&Reimers, Architekten und Stadtplaner, Berlin

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